Allgemein

CDU und FDP erlassen Gesetz um private Adressen über Behörden verkaufen zu können

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hatte der Bundestag am Abend des 28. Juni die “Fortentwicklung des Meldewesens” mit den Stimmen von Schwarz-Gelb verabschiedet, wenige Minuten nach Anpfiff des EM-Halfinalspiels Deutschland-Italien. Abgeordnete waren zum Zeitpunkt der Abstimmung kaum noch anwesend – und auch die breite Öffentlichkeit dürfte sich eher für Fußball als für eine Bundestagssitzung interessiert haben.

Das Gesetz kann noch vom Bundesrat gestoppt werden.

Nun formiert sich Widerstand im Bundestag gegen Merkel und Co. die tatsächlich dreist die Türen geöffnet haben, damit Adresshändler über die Behörden an Privat Adressen kommen können.

Mehrere Bundes-Länder deuteten bereits an, das Gesetz ablehnen zu wollen. Zwar gebe es noch keinen Beschluss im Kabinett, sagte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums dem SWR. Allerdings sei bereits sicher, dass man dem Meldegesetz in der jetzigen Form im Bundesrat nicht zustimmen werde. Dazu gebe es bereits Gespräche mit anderen Bundesländern. Ein Sprecher des Hamburger Senats deutete ebenfalls eine Ablehnung an.

Aber auch aus den Reihen der Koalition kommen kritische Stimmen. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Lasse Becker, sagte, die JuLis seien “enttäuscht über die Novelle des Melderechts”. Gerade Liberale sollten an dieser Stelle eine größere Sensibilität walten lassen. “Die Daten der Einwohnermeldeämter sind dafür da, dass öffentliche Verwaltungen einen gesicherten Datenbestand haben und nicht, damit irgendwelche Versandhändler meine Adressdaten überprüfen können”, so Becker.

Zuvor hatten Datenschützer deutliche Kritik an dem neuen Melderecht geäußert. Von “gesetzlichem Wahnsinn” sprach der Datenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, in der Wochenendausgabe der “Süddeutschen Zeitung”. Ähnlich hatte er sich zuvor bereits in der ARD geäußert.

Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bezeichnete den vorgesehenen Zugriff der Privatwirtschaft auf staatliche Daten als “unsäglich”. Er forderte die Landesregierung in München auf, die neue Vorschrift im Bundesrat zu stoppen. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar sagte dem NDR, offensichtlich habe eine einflussreiche Lobby erfolgreich Druck auf die schwarz-gelbe Bundesregierung ausgeübt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel schrieb in einem Facebook-Beitrag: “Ich will nicht, dass meine Heimatstadt meine Adresse an Werbefirmen oder professionelle Datensammler verkaufen kann. Genau das sieht aber das neue Meldegesetz vor, das CDU/CSU und FDP gegen die SPD bereits durch den Bundestag gebracht haben.” Die Bundesregierung sei der Lobby der Datensammler gefolgt. Er wundere sich “ein bisschen, dass der öffentliche Aufschrei der Empörung bislang ausgeblieben” sei, fügte Gabriel an.

Das geplante Gesetz sieht vor, dass Privatfirmen bei den Einwohnermeldeämtern nicht nur Daten wie Name oder Adresse erfragen dürfen, sondern auch Umzüge oder Todesfälle. Zwar sollen Bürger dagegen Widerspruch einlegen können. Dieser gilt aber nicht, wenn die Firma bereits Daten des Bürgers hat. De facto bedeutet das: Wer seine Daten einmal einer Werbefirma oder einem Adresshändler zur Verfügung gestellt hat – etwa bei einem Preisausschreiben oder einer Katalogbestellung – kann dann nicht mehr verhindern, dass diese bis zu seinem Tod aktualisiert und eventuell auch weiterverkauft werden.

So kann aus jedem Bürger ein gläserner Bürger werden, wo alles über jeden Bürger gespeichert werden kann und die Behörden bei der Aktualisierung der Daten mit dem neuen Gesetz mithelfen. All das wurde nun in private Hände gelegt. Wie viel Geld CDU und FDP für diese Gesetzesänderung bekommen haben, ist nicht bekannt.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. November 2011 war noch vorgesehen, dass man der Weitergabe der Daten zu Werbe- oder Adresshandelszwecken ausdrücklich zustimmen muss. In der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Innenausschusses wurde aus dieser Zustimmungslösung aber die kritisierte Widerspruchslösung.

 

Sie wurden informiert von Rainer Woldenga alias Indigo

Mitglied der Piratenpartei Bottrop